Die Unterwelt der Servatiuskirche
Mühlenecho > Verborgen im Untergrund
Der Kanzelaltar in der Servatiuskiche
Eine der Grabplatten in der Servatiuskirche
Verborgen
im Untergrund
Die
Unterwelt der Servatiuskirche
Im
letzten Mühlen-Echo konnten Sie von den geheimnisvollen
unterirdischen Gängen, die zur Servatiuskirche führen, lesen.
Aber auch die Kirche selbst hatte eine „Unterwelt“.
Bei
Recherchen in Sachen unterirdische Kirchengänge fanden sich
viele Hinweise auf Beerdigungen in der Kirche. Die Pfarrer
hatten von alters her die Berechtigung, in der Kirche begraben
zu werden. Ihre letzte Ruhestelle befand sich in unmittbarer
Nähe zum Altar. Die Kosten für die Beisetzung wurde stets
durch die Kirchengemeinde getragen. Darüberhinaus war es
üblich, dass Personen, die sich in ihrer Lebenszeit besonders
verdient gemacht hatten für ihre Kirche, auf ihren Wunsch hin und
gegen Bezahlung einer relativ hohen Gebühr, ebenfalls in der
Kirche begraben wurden. Hierbei handelte es sich dann aber in der
Regel um adelige oder sehr wohlhabende Personen. In Rönsahl waren es
die Pulverfabrikanten-Familien Cramer und Voswinkel und die
Richterfamilie Von den Berken, deren Namen immer wieder
auftauchen, wenn für die Kirche größere Reparaturen notwendig oder
Anschaffungen getätigt wurden. Dadurch erwarben sie die
Berechtigung, sich nach ihrem Ableben in der Kirche bestatten zu
lassen. Natürlich verfügten sie auch über die dafür nötigen
finanziellen Mittel. Sogar besaßen sie eigene
Familienbegräbnisse in der Kirche, damit auch die verstorbenen
Familienangehörigen hier beerdigt werden konnten. Dass
dieses Privileg auch in Anspruch genommen wurde, zeigen die
zahlreichen Einträge in den Kirchenbüchern, woraus hervorgeht,
dass Verstorbene aus den genannten Familien in der Kirche
beerdigt wurden.
Wie
muss man sich die Grabstellen in der Kirche vorstellen? Aus
Überlieferungen und auf Grund von archäologischen
Ausgrabungen wurden die Grabstellen unter dem Kirchenfußboden
ausgehoben und nach der Grablegung
mit
einer Grabplatte abgedeckt. Solche Grabplatten befinden sich heute
noch in der Servatiuskirche. Sie haben die Größe von 174 bis 207
cm Länge und 85 bis 102 cm Breite und sind mit noch mehr oder
weniger gut lesbaren Inschriften versehen. Daher wissen wir,
dass es sich um Grabplatten von Familienmitgliedern der
Rönsahler Familien Cramer, Blechen, Clarenbach, Von den Berken
sowie der Pastorenfamilie Heuser handelt. Diese Kirchengräber
konnten Erdbegräbnisse mit Erdüberdeckung oder offene Grüfte
sein. Auf Grund von Eintragungen in den Kirchenbüchern, worin
es zum Beispiel heißt, dass der Sarg des dreijährigen Johann
Gottfried Cramer, ein Sohn von Johann Hermann Cramer und seiner Frau
Anna Maria, geb. Clarenbach, „bey der Einsenkung in der vordersten
Grabstätte des Clarenbachischen Erbbegräbnüßes nächst dem
Chor, sind die 2 Särge des in Ohle vorigen Jahres verstorbenen
erstgeborenen Töchterleins und dieses Söhngen neben einander
hingeschoben“ , lässt vermuten, dass es erdlose gemauerte Grüfte
waren, worin die Särge sprichwörtlich beigesetzt wurden. Abgedeckt
waren sie mit den Grabplatten, die wiederum an diesen Stellen den
Kirchenfußboden bildeten. Aus hygienischen Gründen – die
aufgelegten Grabplatten konnten nicht so gut abgedichtet werden,
weshalb es zu Geruchsproblemen kam – wurde es Ende des 18.
Jahrhunderts verboten, Verstorbene in den Kirchen zu bestatten.
Dieses Verbot brauchte aber eine Weile bis zur endgültigen
Durchsetzung. Schließlich ging dadurch der Kirche eine
sehr gute Einnahmequelle verloren. Auch in der Rönsahler
Servatiuskirche wurde noch im Jahre 1807 eine Beisetzung
durchgeführt.
Spätestens
im Jahr 1912 werden die Grüfte aufgedeckt und mit Erd- oder
Schottermaterial aufgefüllt worden sein. Denn in jenem Jahr wurde
die Kirche umfangreich renoviert und der Fußboden mit den jetzt noch
vorhandenen Mettlacher Platten ausgelegt. Bei dieser Maßnahme
wurden die noch vorhandenen Grabplatten entlang der östlichen Wand
hinter den Altar gelegt. Es muss noch mehrere weitere Grabplatten
gegeben haben, die aber entfernt wurden.
Möglicherweise
wurden manche Gerüchte über unterirdische Gänge zur Kirche
ausgelöst durch die Aufdeckung der Grüfte, zu denen möglicherweise
Zugänge und Treppenstufen führten oder Belüftungsschächte
nach Außen gingen.
Regina
Marcus, im August 2015
Quellen:
Oekonomische
encyklopädie, Band 38, von Johann Georg Krünitz und weiteren,
1786, (Google books)
Allgemeines
Landrecht für die Preußische Staaten von 1794
Foto
Grabplatte von Ellen Becker
Eine
ausführliche Beschreibung der vorhandenen Grabplatten in der
Servatiuskirche finden Sie hier